Erinnerungskultur

Bernhard Heppe

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    Bernhard Heppe studierte in Marburg und Tübingen evangelische Theologie. 1924 wurde er als Pfarrer in Cölbe (Kirchenkreis Marburg-Land) eingeführt. Es sollte seine einzige Pfarrstelle bleiben. Hier heiratete er Ruth Bartels. Aus der Ehe gingen 6 Kinder hervor.

    Nach der Errichtung der nationalsozialistischen Diktatur 1933 gehörte Bernhard Heppe zu den Mitbegründern des „Bruderbundes Kurhessischer Pfarrer“ sowie der „Bekennenden Kirche Kurhessen-Waldeck“. Damit reagierten viele evangelische Pfarrer auf die Wahl Ludwig Müllers zum Reichsbischof am 6. September 1933 und auf die seit 1933 begonnenen Versuche der Deutschen Christen (DC), die Deutsche Evangelische Kirche (DEK) in eine von der nationalsozialistischen Ideologie beherrschte „Reichskirche“ ohne Christen jüdischer Herkunft umzuformen. Damit begann der so genannte „Kirchenkampf“ in der Zeit des Nationalsozialismus.

    Der Bruderbund setzte sich 1933 für die volle Freiheit der Kirche in allen Fragen ihrer Verwaltung, ihrer Verkündigung, ihrer Verfassung und innerer Lebensgestaltung ein. „Der Bruderbund ist entschlossen zur Abwehr aller Formen und Mittel des kirchenpolitischen Kampfes, die dem Wesen der Kirche widersprechen.“

    Als Schriftführer bildete Bernhard Heppe gemeinsam mit Pfarrer Karl Bernhard Ritter und Prof. Hans von Soden aus Marburg den engsten Bruderrat. 1934 wurde er zusätzlich noch Geschäftsführer der Kurhessischen Bekennenden Kirche.

    Zunächst regelmäßig Woche für Woche, dann ab 1935 in unregelmäßigen Abständen stellte Bernhard Heppe für die Mitglieder hektographierte Rundbriefe und –schreiben zusammen, um sie unzensiert über die aktuellen Entwicklungen im „Kirchenkampf“ zu informieren. Dies geschah unter den Bedingungen einer Diktatur und neben den Aufgaben seines Gemeindepfarramtes, das neben Cölbe auch Wehrda umfasste.

    Im August 1936 heißt es in dem „Gemeindebrief für die Mitglieder der Bekennenden Kirche“: „Die fortgesetzte Bespitzelung der kirchlichen Arbeit muss aufhören. Die Verbote kirchlicher Versammlungen in öffentlichen Räumen müssen fallen. Die Fesseln, die der kirchlichen Presse und der kirchlichen Liebestätigkeit angelegt sind, müssen gelöst werden. Es muss vor allem aufhören, dass sich staatliche Stellen unausgesetzt in das innere Leben der Kirche zu Gunsten derer einmischen, die durch ihr Lehren und Handeln die Zerstörung der evangelischen Kirche bewirken.“ Weiter unten in dem Rundbrief heißt es: „Viele Pfarrer haben in diesen Jahren um des Glaubens willen gelitten, haben zum Teil im Gefängnis und im Konzentrationslager gesessen, Ausweisungen und Ähnliches erdulden müssen. Wir wissen nicht, was uns noch bevorsteht. Aber was auch komme – wir sind gebunden an den Gehorsam gegenüber unserem himmlischen Vater.“  

    Diese Rundbriefe wurden – laut einer Statistik, die die Gestapo verfasste -  an 284 Geistliche, 3 Professoren und 41 ausgewählte Laienmitglieder versandt. Hausdurchsuchungen, Beschlagnahme von Schreibmaschinen, Unterlagen des Bruderbundes sowie der Einzug von 6 000 Reichsmark waren die Folge. Bei Bernhard Heppe fand eine solche Hausdurchsuchung u.a. am 18.7.1939 statt. Seine Post wurde regelmäßig überwacht, Postsendungen geöffnet und seine Predigten von Gestapo-Sitzeln abgehört. Es zeugt von großem Mut und Unerschrockenheit, dass Bernhard Heppe seine Arbeit unverdrossen fortsetzte und immer wieder Mittel und Wege fand, seine Informationen und christlich-kirchliche Literatur zu verbreiten.

    Heppe organisierte außerdem Rüstzeiten, Vortragskurse und Treffen von Pfarrern des Bruderbundes, bei denen er regelmäßig Vorträge hielt. Und er telefonierte regelmäßig mit seinen Amtsbrüdern, um sie zu beraten und ihnen Mut zuzusprechen.

    Daniel Peter, der in der Nähe der Cölber Kirche in der Alten Dorfstraße 9 ein Lebensmittelgeschäft betrieb, war ein enger Vertrauter von Bernhard Heppe. Er versteckte zu Hause die gesamte Korrespondenz seines Pfarrers und verteilte heimlich die Gemeindebriefe an vertrauenswürdige Mitglieder der Kirchengemeinde.

    Auch der Ortspolizist, Polizeimeister Behrend, warnte regelmäßig Bernhard Heppe, wenn Hausdurchsuchungen oder Besuche der Gestapo drohten.

    In Cölbe konfirmierte Pfarrer Heppe auch Anfang der 40er Jahre eine Tochter der Sinti-Familie Strauß gegen den Widerstand der örtlichen Nazis in der Cölber Kirche.

    Weder das Spinnennetz der Überwacher seiner Tätigkeit als Pfarrer und Mitglied der Bekennenden Kirche noch Verhöre durch die Gestapo konnten ihn an seiner Weiterarbeit hindern. Es grenzt an ein Wunder, dass er nicht verhaftet und in ein Konzentrationslager eingeliefert wurde.

    Am 3. Oktober 1939, kurz nach dem Überfall auf Polen, wurde Bernhard Heppe als Artillerie-Offizier sofort eingezogen. Er hatte zuvor regelmäßig an Reserveübungen teilgenommen. Dies geschah vor allem wohl auch deshalb, um sich gegenüber dem Nazi-Regime als national denkender Mensch darzustellen. Nach einer Intervention des Landeskirchenamtes konnte Bernhard Heppe im September 1940 wieder als Pfarrer für seine 2 Kirchspiele (Cölbe und Betziesdorf mit Bürgeln und Schwarzenborn) tätig sein. Er war auch weiterhin parallel dazu für die Bekennende Kirche aktiv. Seine letzte Predigt hielt er in Cölbe am Weihnachtsfest 1943. Danach wurde er wieder als Soldat für den Krieg auf dem Balkan eingezogen.

    1945 geriet er nach der deutschen Kapitulation in englische, dann in jugoslawische Kriegsgefangenschaft.

    Kurz vor seinem Tod zog er in seinem Tagebuch Bilanz: „Aber wir haben als Kirche nicht unsere Pflicht getan – nicht in der Judenfrage – nicht in der Euthanasie, nicht in der Rechtsbarkeit und anderer Kapitalfragen. Alles endete in Vergötzung des Volkes, gedankenlos als Maske, dahinter eine satanisch-planvolle konsequente partei-egoistische Terrorisierung des Einzelmenschen. Herr, lass mich noch einmal am Aufbau Deiner Kirche mitarbeiten mit geläuterter Seele.“ Dies war ihm leider nicht mehr vergönnt. Er starb am 20. September 1945 an den Folgen einer Diphterie-Erkrankung.

    Die Gemeinde Cölbe gedenkt dieses beispielhaften und mutigen Menschen und Mitbürgers.